Okt 122013
 
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Das von Stalin geschenkte Pressehaus.

 159. Reisetag

 

An diesem Tag besuche ich die nördlichen und südlichen Außenbezirke von Bukarest. Meine Ziele steuere ich mit der Metro an. Es gibt sie seit 1979 mit 3 Linien und 45 Stationen. Die nächste Station Piata Romana ist nicht weit von meiner Unterkunft. Zwei Rolltreppen tiefer kann ich mein Tagesticket für 6 Lei (1,40 Euro) am Schalter kaufen. Die U-Bahn ist modern und sauber. Es gibt in den Wagen zwei Längssitzreihen, dazwischen wird gestanden. Die Wagen sind durch einem breiten Durchgang verbunden. Zwei Sicherheitsmänner fahren mit (weiß nicht ob in jeder Bahn).

Bereits nach zwei Stationen erreiche ich den großen Herastrau-Park mit See. Hätte diesmal gerne mein Fahrrad dabei. Der Park ist mit 187 Hektar riesig. Zu Fuß mache ich nur einen kleinen Bogen am See entlang. Wollte eigentlich eine Schifffahrt auf dem langgezogenen See machen, aber die Schiffe fahren nicht.
Auf einem Platz (im Park) weht in der Mitte die EU-Fahne. In Kreisform sind 12 große Köpfe angeordnet. Unter jedem steht seine Wichtigkeit für die Gründung der EU.  Aus Deutschland ist Adenauer der Vertreter. Unklar ist mir, ob das Projekt aus EU-Mitteln bezahlt wurde. Normalerweise gibt es entsprechende Hinweise.

Ein markantes Gebäude am Rande des Parks fällt mir auf. Es ist das 1956 errichtete Pressehaus. Ein Geschenk des sowjetischen Diktators Stalin. Man erkennt deutlich den sowjetischen Stil des Gebäudes. Auf dem roten Sockel davor stand bis 1990 eine Statue von Lenin. Offenbar ist man bis heute ratlos, was nun mit dem Sockel geschehen soll. Darüber ist ein Zeltdach mit bunten Ballons aufgestellt.

Zwei moderne gläserne Hochhäuser stehen in diesem Viertel, ein Word-Trade-Centrum und ein Messerundbau.
Am Ende der verkehrsreichen Straße sehe ich den Bukarester Triumphbogen. 1935/36 wurde das Bauwerk nach dem Vorbild des Arc de Triomphe in Paris errichtet. Es wurde zu Ehren des „Triumphes (?)“ im Ersten Weltkrieg aufgestellt.
Ganz wie in Paris braust der Verkehr rund um den Bogen.

Durch den Park wandere ich zurück zur Metro-Station, über weite Rasenflächen mit Beeten ohne Blumen, viele Figuren und mir unbekannte Köpfe sind an Plätzen aufgestellt. Die Springbrunnen sind auch hier wasserlos. Über dem See ragt das geschenkte Pressehaus in den Himmel und spiegelt sich darin.

Die Metro bringt mich ans andere Ende der Stadt in die „Friedhofsecke“. Der Cimitriul Bellu ist ein großer orthodoxer Friedhof. Ich wandele auf den schmalen Pfaden durch die Gräberwelt. Es herrscht ein Durcheinander aus Holzkreuzen, pompösen Mausoleen, marmornen Büsten und Engeln mit gebrochenen Flügeln. Teils überwuchert, teils umrahmt von ein wenig verwilderter Vegetation.
Der prominenteste „Einwohner” des Bellu-Friedhofs ist der Rumäniens Nationaldichter Mihai Eminescu.

Eine Mauer weiter besuche ich den katholische Friedhof. Dieser ist eigentlich für eine katholische Minderheit von 5 Prozent recht groß.

Auf der anderen Seite der verkehrsreichen Straße betrete ich durch ein eisernes Tor den jüdischen Friedhof. Am Eingang werde ich gleich abgefangen. Ich benötige eine Kopfbedeckung. Mir wird eine weiße kleine Kappe gereicht, die ich auf meinen Kopf lege. Dann möchte man mir einen „Bodygard“ zuteilen, der mich vor wilden Hunden schützen soll. Ich lehne eindeutig ab. Die hier herumliegenden Hunde sehen alle harmlos aus und sind es auch.
Dieser Friedhof ist arg verwildert und zerfallen. In dem Bereich der älteren Gräber ist alles Grüne abgeschnitten und wirkt kahl. Die Steine alter Gräber liegen ziemlich unordentlich herum. Ein weiterer Bereich wartet wohl noch auf seine Säuberung. Im hinteren Teil des Friedhofs sind neuere Gräber mit Ordnung angelegt.

Ich begebe mich mit der Metro wieder unter die Lebenden. Steige am Piata Unirii aus um von hier aus langsam zurückzugehen.

Sehe eingezwängt zwischen zwei Hochhäusern und etwas von der Straße zurückversetzt, die kleine Biserica Sf. Ioan.
Viele der Kirchen fielen der so genannten Systematisierung zum Opfer. Darunter verstand man Ceausescus Politik des Schleifens von sakralen Bauwerken. Architekten ließen sich einiges einfallen, um das eine oder andere Gotteshaus retten zu können. Diese Kirche wurde um 23 m verschoben um sie ein wenig zu verstecken.
Sf. Ioan ist in seinem Inneren über und über mit Fresken, Ikonen und viel Gold und Silber geschmückt. Der Innenraum ist winzig und dunkel. Viele Gläubige schauen kurz rein, bekreuzigen sich und küssen ihr Heiligenbild bevor sie sich wieder in den Trubel nach draußen begeben.

Ich überquere den Universitätsplatz. Auf der einen Seite steht eine große Geige als Denkmal, auf der anderen eine wilde Musikergruppe.

Zurück auf der Calea Victoriei komme ich am Palatul CEC vorbei. Es ist das 1897 von einem französischen Architekten geplante Gebäude der Rumänischen Sparkasse, mit großartiger Kuppel, einer schön verzierten Uhr am Portal sowie Figuren an der Fassade. Nach der Privatisierung der Bank ist dieser Palast für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.

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