Jan 152014
 
DSC00070

Didymaion.

255. Reisetag

8952 km

 

Der Morgen beginnt trübe – die Sonne kann für mich ja nicht immer scheinen. Ich bewege mich so etwas auf einer Touristenstrecke. Am Straßenrand „auf der grünen Wiese“ stehen große Leder- und Teppichgeschäfte. Sie sehen geschlossen aus und öffnen wohl nach Anmeldung für Touristengruppen.

Durch hügelige Landschaft auf wieder vierspuriger Straße erreiche ich nach 20 Kilometer die Stadt Kusadasi an der Küste. Im Hafen können die großen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Die Kreuzfahrer machen sich dann per Bus auf zu den gebuchten Sehenswürdigkeiten. Am Hafenpier herrscht zur Zeit Leere. Die Stadt mit ihren vielen Geschäften ist auch ein Zentrum für türkische Touristen. Auf der Uferpromenade sind viele Menschen unterwegs.
Ich mache eine Pause am Ufer. Die Sonne kommt langsam durch. Es wird warm und ich träge. Die Entscheidung so früh am Tag die Weiterfahrt zu beenden ist schnell gefallen. Habe viel Zeit, denn erst in 10 Tagen möchte ich Bodrum erreichen. Von dort aus fahre ich mit dem Bus nach Ismir zurück um meinen Pass abzuholen.
Einen weiteren Tag verbringe ich in dem schönen Hotel mit seitlichem Blick aufs Meer. Keine Ruinen, keine alte Moschee, es gibt einfach nichts zu besichtigen. Ich genieße das Faulsein.

Tags darauf fahre ich anfangs nahe an der Küste entlang. Dann erwische ich die falsche Abfahrt und es geht steil über die Hügel zur Schnellstraße. Auf dem geplanten Weg hätte ich mir 200 Höhenmeter sparen können. Mein Ziel ist der kleine Ort Güllübahce am unteren Rande eines Gebirgszuges. Dort sind die Ruinen der alten Stadt Priene. Habe Glück, es gibt eine Pension mit kleinen Hütten zwischen Orangenbäumen. Sonst hätte ich am Abend 15 Kilometer zurück in die Stadt Söke fahren müssen. Den Nachmittag verbringe ich alleine in der Ruinenlandschaft etwas oberhalb am Hang. Es ist immer wieder schön so alleine durch die alten Städte zu wandeln. Bin mittlerweile fit, weiß was Agora, Stoa oder Heroon sind, kenne die hellenistische, römische, byzantinische und osmanische Zeit.

Über Tag ist es warm, abends wird es kühl. Bin in meinem Quartier vorm ins Bett gehen am Duschen, da wird es dunkel und das Wasser kalt. Die Sicherung ist herausgesprungen. Meinen eingeseiften Kopf säubere ich wohl oder übel mit kaltem Wasser, trockne mich ab und suche in einem anderen Haus den Vermieter. Der scheint das Problem zu kennen, ich ziehe um in eine andere Hütte. Diese ist natürlich wieder kalt und es benötigt Zeit bis die Elektroheizung alles erwärmt. Verkrieche mich früh ins Bett.

Am nächsten Tag fahre ich durch die flache Ebene, die in den Hochzeiten der alten Städte das Meer war. Viele geerntete Baumwolle sehe ich neben der Straße. Nur in wenigen versumpften Feldern konnte die Ernte noch nicht stattfinden.
Nach 20 Kilometer erreiche ich die Ruinen der alten Stadt Miletos. Wiederum wandere ich alleine durch die auf einer (damaligen) Landzunge liegende Stadt. Meinen Übernachtungsort Didim erreiche ich kurz vor der Dunkelheit. Es ist ein Badeort, mit Appartements, vielen meist geschlossenen Hotels und einem kleinen Sandstrand. In den wenigen offenen Restaurants sitzen englische Rentner. Finde ein passendes Hotel für mich und esse am Abend in einem chinesischen Restaurant mit englischer Bedienung ein Currygericht.

In Didim steht das große Apollonheiligtum, das Didymaion. Der Gott Apollon besitzt (u.a.) die Eigenschaft der Voraussicht und kann seine Kraft auf Personen übertragen, die dann als Wahrsager und Orakel auftreten. Der Glauben, dass die Götter sämtliche Geschehnisse im Zusammenhang von Natur und Menschen ihren Wünschen entsprechend lenken können, erhöht die Religionsabhängigkeit und Frömmigkeit der Völker und den Glauben an die Orakelkraft.
Die zwei wichtigsten zu Ehren Apollon errichteten Tempel stehen in Didim und in Delphi. Anfangs wandte man sich einmal im Jahr in offiziellen Angelegenheiten an die Orakel der Apollontempel und erhielt ein „Ja“ oder „Nein“ als Antwort. Später wurde die Befragung des Orakels auch in privaten Angelegenheiten möglich, natürlich nicht umsonst. Es entwickelte sich ein reges Geschäft daraus und die Tempel wurden immer reicher. Die Apollonorakelzentren entwickelten sich zu einem Staat im Staat und waren in der Politik oft die Ursache für falsche Beschlüsse.

Am Morgen stehe ich vor diesem Tempel. Die Ausmaße sind gewaltig. Der Tempel bestand aus 122 Säulen mit bis zu zwei Meter Durchmesser und Höhen von bis zu 20 Metern. Riesige Steinquader formten den 110 x 50 Meter großen Bau. In so einem Tempel fühlt sich der Mensch klein und wohl auch leichter beeinflussbar. Ähnliche Gefühle hatte ich in den riesigen Kathedralen Frankreichs.
Jahrhunderte wurde an diesem Bau gearbeitet, endgültig fertig geworden ist er nie.
Der Tempel ist durch eine heilige Straße mit der 18 Kilometer entfernten Stadt Miletos verbunden.

Sorry, the comment form is closed at this time.