Aug 282012
 

133. Reisetag

8096 km

 

Es war fast dunkel. Hatte mich gerade ins Zelt verkrochen und Licht ausgemacht. Da hörte ich: „Hallo German Biker, do you want a glas of wine“. Ein entfernter Zeltnachbar lud mich zu einem Glas Wein ein. Freudig sagte ich zu, denn die Müdigkeit war noch nicht so richtig da.

Hatte diese Nacht ein T-Shirt anbehalten. Es wurde mir damit nicht mehr kalt. Am Morgen war sogar das Zelt trocken. Auf der Wiese merkte ich je näher ich dem Wasser kam, desto nasser wurde alles. In Zukunft muss ich überlegen ob ich es möchte: Schöner Blick übers Wasser am Abend und nasses Zelt am Morgen.
Bei der Weiterfahrt an einem kleinen Laden angehalten. Hoffte noch etwas mehr Obst kaufen zu können. Keine Chance. Es gab nur diverse Chipsorten, Süßigkeiten, Cola & Co sowie einige Konserven. Werde meine noch vorhandenen 4 Äpfel und 3 Bananen gut einteilen. Ich weiß nicht wann die nächste richtige Einkaufsmöglichkeit kommen wird.

Auf wenig befahrener Straße und schönem Wetter den Küstenbogen gefahren, bis zu einem längeren Damm, der mich über die (Wasser-)Straße von Conso brachte. Diese trennt Cape Breton Island vom Festland. An der Touristeninformation Materialien eingeholt und losgefahren. Da sah ich von der Straße aus einen Hinweis mit dem Symbol des TCT. Es gab einen gut ausgebauten ehemaligen Bahndamm als Multi-Use-Way.

Freute mich und ärgerte mich über die Informationen im Touri-Büro. Kein Wort davon, obwohl ich auf meine Radtour hingewiesen hatte. Schade, auch im Internet sind die Informationen zu den vorhandenen Trailstrecken kaum vorhanden. Dabei kann ich mir als Radfahrer kaum etwas Schöneres vorstellen.
Die Steigungen waren gering. Meist konnte ich übers Meer blicken.
Die regelmäßigen Kilometerangaben auf dem Trail störten mich. Sie wiesen auf die Endlichkeit dieser schönen Wegstrecke hin.
Fuhr durch die altbekannte Landschaft, angereichert durch die Küste und das Meer. Fuhr über Dämme durch die tief ins Binnenland reichenden Lagunen. Die Ebbe zog das Wasser gerade hinaus. Immer wieder überquerte ich Flüsse. Die Brücken der alten Eisenbahn waren noch vorhanden. Vereinzelt sah ich Häuser. 50 km ging es entlang der Küste. Dann bog der Trail wegen einer größeren Landzunge ins Binnenland ab. Sobald ich eine Höhe von ca. 100 m erreicht hatte fuhr ich an einem Fluss entlang wieder Richtung Meer. Nahe einer Bucht sollte der Zeltplatz sein. Zum Glück hatte ich einen Quadfahrer gefragt, denn dieser war ohne irgendwelche Hinweise weit abseits vom Trail. Am Morgen vielen die ersten Regentropfen. Der Wetterbericht hatte für den Dienstag kräftige Schauer vorausgesagt. Konnte das Zelt aber trocken abbauen. 3 km fuhr ich zurück um wieder auf den Trail zu kommen. Es ging über Dämme entlang und über eine Lagune. Fuhr mit leichter Steigung in die Berge, dort auf einen Damm durch eine Sumpfebene – mit Weitsicht auf die umliegenden Berge.
Es wurden insgesamt 90 km Trail. War nur zwei Quadfahrern begegnet. Die Menschen brausen lieber mit ihren Autos auf der Straße.

Im Ort Inverness – wieder an der Küste – war die schöne Fahrt beendet. Der letzte Zug hatte 1975 diesen Ort verlassen. Dank der Kohleminen wurde die Strecke dorthin 1905 gebaut.

Am Ortseingang fragte ich ein Ehepaar nach dem Campingplatz und wo es was zu essen geben könnte. Sie luden mich in ihr Haus zum Essen ein. Kaum dort angekommen gab es einen kräftigen Regenschauer. Es war noch früh, 12 Uhr mittags. Wegen der schlechten Wettervorhersage wollte ich in diesem Ort bleiben. Zu meiner Freude gab es hier einen kleinen Supermarkt mit Obst. Mein Müsli ging ebenfalls zur Neige. In meiner Karte war dieser (etwas größere) Ort eingetragen wie einer, der nur aus ein paar Häusern bestehen kann.
Der Zeltplatz war direkt an der Küste. Ab 16 Uhr begann es zu regnen. Ich verzog mich in einen Raum mit Waschmaschinen, Tisch und Strom.

 

Aug 262012
 

131. Reisetag

7958 km

 

290 Jahre zu spät angekommen. Sonst könnte es toki nova heißen. Die Schotten waren schneller. 1723 erreichten sie Pictou, dem Anlegeort der Fähre.
Ich bin jetzt in Nova Scotia angekommen. Meine weitere Strecke wird entlang der Küste Richtung Osten gehen.

In der Nähe des Fähranlegers gab es einen Supermarkt. Für zwei Tage im Voraus versuche ich immer Lebensmittel dabei zu haben. Diese sind recht teuer in Kanada. Ein Hohn ist es, wenn ich durch meinen Einkauf mir 8 Flugmeilen gutschreiben lassen kann.
Zum nächsten Zeltplatz musste ich vier km in Gegenrichtung fahren. Mit Blogschreiben den späten Nachmittag verbracht.

Morgens weckte mich die Sonne im Zelt. Beim Verlassen des Zeltplatzes fiel mein Blick auf die Schornsteine einer Pulp-Fabrik. Musste in der Nähe vorbeifahren. Die Luft roch nach Pipi.
Den ganzen Tag entlang der Küste geradelt. Die Straße windet sich um jede kleine Bucht. Es gibt viele davon und tiefe breite Einschnitte von Flussläufen. Auf der Karte nach 70 km Straßenfahrt kaum vorangekommen. Kein Problem, an diesem Tag wollte ich nur einen bestimmten Campingplatz erreichen. Diesmal wieder einen Platz direkt am Wasser erhalten. Es wehte ein steifer Nordwest-Wind. Wenn dieser bis zum nächsten Tag anhält trifft er mich von der Seite hinten. Tut er aber nicht. Will jetzt nicht mehr schlecht über den Wind schreiben, vielleicht beruhigt er sich. So hatte er am Abend mit einer steifen Prise mir die Mücken vom Leibe gehalten. Am Morgen schlugen diese aber bei annähernder Windstille erbarmungslos zu. Bis ich die Gefahr erkannt hatte waren schon viele Stiche an den Beinen plaziert.

Bei schönstem Wetter und frischer Luft, ging es weiter entlang der Küste – diesmal gab es keine tief ins Land reichende Buchten. Das Fahren machte mir richtig Spaß.
Ein trockener Waschbär lag neben der Straße. Der wenige Verkehr hatte ihn erwischt. Nur alle ca. 5 Minuten fuhr ein Auto an mir vorbei.
Das Eichhörnchen war kleverer.
Die Lobsterfallen werden mit Gammelfleisch gefüllt. Die Lobsterpreise sind aber im Keller, wurde mir erzählt.
Die Ortsnamen auf den Schildern sind hier englisch und gällisch.
Mitten in der Einsamkeit hörte ich einen Dudelsack. Hatte angehalten und zugehört. Die Familie kam dazu, einen Plausch gehalten. Mir wurde ein Glas Orangensaft angeboten und einige Muffins mit auf dem Weg gegeben. MacDonald ist der häufigste Familienname in der Region, so hieß auch diese Familie.

Der Blick über die Weite des Meeres wurde immer schöner, je höher die Straße mich führte. (Fuhr aber auch oft wieder runter.) Er erinnerte mich an die Sicht auf die Schneeberge in den Rocky Mountains und löste ähnliche Gefühle in mir aus. Am Cape George in ca. 100 m Höhe steht ein Leuchtturm. Lange hatte ich davor auf einer Bank gesessen und aufs Meer geschaut.
Ein Traum wäre es gewesen dort einen Wal zu sehen. Noch wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt.

In einem ständigen Auf und Ab ging es weiter zum Campingplatz in Antigonish. Die vorhanden Campingplätze bestimmen zur Zeit meine Wegstrecke. Den Abend mit den Zeltnachbarn vorm Feuer verbracht. Sie wohnten nur ca. 15 km entfernt, hatten aber Lust zum Zelten.
In der Nacht wurde es im Zelt bereits kühler. Sollte der Sommer vorbei sein? Am Morgen triefte das Zelt vor Taunässe.
Hatte an diesem Tag keine weite Strecke vor mir. Ließ es weitgehend in der Sonne trocknen und machte mich gemütlich auf den Weg zum nächsten Übernachtungsplatz. Musste leider 15 km auf einem stark befahrenen Highway zurücklegen bis ich wieder auf eine kleinere Straße abbiegen konnte.

Aug 232012
 

128. Reisetag

7752 km

 

Für Fußgänger und Fahrradfahrer verboten. Ich hatte mich vorher informiert und war nicht erschrocken. Es gibt einen Shuttleservice, der mich und mein Fahrrad beförderte.
Die Brücke mit 13 km Länge ist die längste Brücke über eine zeitweise mit Eis bedeckte Wasserfläche – so heißt es. In wärmeren Gegenden muss es also eine noch längere geben. Ein Blick auf die Wikipedia-Seite zeigte mir, dass es in China mit 36 km eine längere über das Meer gibt.

Diese Brücke mit dem langweiligen Namen „Confederation Bridge“ verweist auf die Charlottetown-Konferenz im Jahr 1864 in Charlottetown, der Provinzhauptstadt von Prince Edward Island, bei der die Grundlage für die Kanadische Konföderation gelegt wurde.

Ich bin jetzt in der kleinsten Provinz Kanadas angekommen, auf der Prinz Edward Island oder kurz PEI, wie sie hier genannt wird.
Die Insel ist unterteilt in West, Mittel und Ost. Und wie heißen die Abschnitte wohl? Prince, Queen und King – kein Kommentar dazu.
Bei der Ankunft Informationen im Touristenbüro eingeholt. Diesmal waren sie so, wie ich es mir wünschte. Es gibt den TCT auf alten Schienenwegen, vorbildlich in einer kleinen Broschüre beschrieben. Ich kann die Insel fast nur auf dem Trail durchfahren.

Die Nacht verbrachte ich auf einem Zeltplatz ganz in der in der Nähe meiner Ankunft. Am Abend gab es dort eine Musikveranstaltung. Country Musik gespielt/gesungen von drei Musikern mit Einlage eines Chores. Ich war einer der jüngeren Zuschauer.

In der Nacht regnete es sehr heftig, mit entferntem Donner. Mein Becher auf dem Tisch war am Morgen ca. 3 cm mit Wasser gefüllt. Wegen des Regenlärms nicht sonderlich gut geschlafen. Am Morgen war es wieder trocken. Eigentlich nicht schlecht für mich der nächtliche Regenrhythmus. Der Trail begann gleich hinterm Zeltplatz. Ohne nennenswerte Steigungen konnte ich die hügelige Landschaft durchfahren. Der Trail war in einem sehr guten Zustand. Für mich bedeutete es ein gemütliches Fahren, in einer Landschaft wie bereits oft gesehen. Also fast ein wenig langweilig.

Es gab viel Landwirtschaft, diesmal häufig mit Kartoffelfeldern. Die Erde war rot gefärbt. Im Gegensatz zum Festland durchzog ein enges Straßennetz die Insel.

Am Nachmittag erreichte ich die Provinzhauptstadt Charlottetown. Eine kleine Stadt mit einigen schönen älteren Steinhäusern und den üblichen Holzhäusern.
Die Jugendherberge war voll, wurde aber an eine kleine B&B-Pension vermittelt. Auch hier wieder eine runde Frau und ein Mann der die Arbeit machte.
In Charlottetown machte ich einen Tag Pause, Sightseeing, Blog schreiben und ausschlafen.

 

Weiter ging es auf dem Trail bei schönstem Wetter mit wenigen Steigungen. Wäre ich nicht schon so lange durch diese Landschaft gefahren würde ich sie schön finden. Die Weitsicht über die Sumpf- und Wasserflächen genoss ich aber. Das üppige Isländische Moos erinnerte mich an meine Modelleisenbahn. Damit hatte ich die Landschaft „bepflanzt“.

Habe einen Zeltplatz, etwas duster im Wald, in der Nähe eines breiten Flussarmes gefunden. Diesmal gab es viele Geräusche, die mich nachts aufschreckten. Den Inhalt meinen Abfallbeutel musste ich am anderen Tag zusammensuchen.

Die Luft ist frisch, blauer Himmel. Der Tag lag vor mir. Was für ein Geschenk.
Eine Keil Wildgänse überflog mich mit Geschrei. Da merke ich, dass mein Fernweh noch nicht gestillt ist.

Es gab eine Lücke im Trailnetz. 25 km Fahrt auf der Straße war angesagt. Es ging von Seelevel auf 130 m hoch und wieder runter, in einer ständigen Wellenbewegung. Der Wind hatte was gegen mich. Er kam aus dem Süden, ich fuhr gen Süden. Auf dem Trail konnte er mir nicht beikommen. Ich fuhr langsamer und häufig waren am Wegrand schützende Bäume und Büsche.

Die Insel verließ ich diesmal mit der Fähre. Dort reihte ich mein Fahrzeug entsprechend ein. Nur hatte ich keine Beifahrerin. Für die 22 km benötigte die Fähre ca. 1 h.

 

Aug 192012
 

124. Reisetag

7535 km

 

Von Moncton an die Küste war es nicht weit. Anfangs auf einem 10 km langem Fahrradweg und dann auf einer kleineren Straße. In Meeresnähe werde ich mich die restliche Zeit meines Kanadaaufenthaltes bewegen – in den Maritimen Provinzen wie sie hier genannt werden. New Brunswick gehörte bereits dazu.
Der Gartenzwerg ist von einem Leuchtturm im Garten abgelöst.

Sobald ich die Küstenstraße erreicht hatte traf ich auf den Wochenendausflugsküstenverkehr. Die Stadt Shediac mit einem riesigen Lobster an der Einfahrt nennt sich „Lobster Capital of the World“. Der Lobster ist allgegenwärtig. Die Touristen lieben wohl Auto- und Menschenmassen und Einkaufsmöglichkeiten von Dingen, die man eigentlich nicht gebrauchen kann. Ein Glück für mich, dass sie sich hier konzentrieren und andere Flecken damit freihalten.

In einem Lebensmittelmarkt tätigte ich meine Einkäufe und suchte einen ruhigen Platz am Meer auf. Dort das eben erworbene Baquette mit Käse gegessen, mit Sicht auf den Jachthafen.

Danach noch ca. 15 km weiter entlang der Küste Richtung Osten gefahren. Der Verkehr ließ bald deutlich nach. Auf einem schönen Campingplatz direkt am Wasser mein Zelt aufgebaut. Vom Vortag hatte ich noch eine 1/2 Flasche Wein, stillos abgefüllt in eine kleine Plastikflasche. Mit dem Rest Baquette und Käse war es mein Abendbrot.

Die Küste liegt am großen Golf vom Sankt Lawrence Strom. Das Wasser ist erstaunlich ruhig mit wenigen Wellen. Ebbe und Flut machen sich natürlich bemerkbar. Bei eintretender Ebbe kamen viele Reiher und warteten auf ihre Mahlzeit. Die Sonne ging schön unter und die Mücken kamen raus. Hatte mich deswegen zeitig ins Zelt verkrochen. Kaum war ich darin fing der Regen an, der die ganze Nacht durchhielt. Trotzdem gut geschlafen und mit dem endenden Regen war auch der Morgen da. Vorm Zelt gefrühstückt und Zelt fast trocken abgebaut.

Die Wolken hingen tief. Es wurde gar nicht richtig hell an diesem Tag. Bald schon setzte der Regen für mehrere Stunden ein. Die Fahrt ging auf und ab entlang der Küste, oft mit Weitsicht. Die altbekannte Landschaft des kanadischen Schildes. Jetzt zusätzlich mit Sicht aufs Meer. Ab und zu fischverarbeitende Betriebe neben der nicht sehr häufigen Landwirtschaft.

Einmal wollte ich von einer Wiese aus ein (wunderschönes) Foto mit Blick auf einen See und Meer im Hintergrund machen. Ein Blick auf mein Bein trieb mich direkt in die Flucht. Viele Mücken waren bereits am Saugen und noch mehr im Anflug.

An Häusern, Telegraphenmasten und allen möglichen Gegenständen tauchten in massiver Häufigkeit die Farben Blau Weiß Rot mit Stern im Blauen Feld auf. Die Flagge der Acadian.
Französische Siedler hatten sich im 17. Jahrhundert hier niedergelassen in Acadia, einer Kolonie von „New France“. Die Nachkommen sind noch heute Stolz auf ihre Herkunft.

Am frühen Nachmittag erreichte ich die Brücke, die mir die Weiterfahrt auf die Prinz Edward Insel ermöglichen sollte.